Dede Korkut – Die Kunde von Tepegöz

Dokufiktionales Musiktheater für Orchester, Stimme, Bewegung 
und Videoinstallation von Marc Sinan
Dresdner Sinfoniker – Dirigent: Fabián Panisello
 
Solisten: Jelena Kuljić, Jun Kawasaki, Marc Sinan, 
Sascha Friedl, Ulzhan Baibussynova, Mehri Asadullayeva, Askar Soltangazin, Toir Kuziyev
 
Produktion: Markus Rindt & Marc Sinan
Künstlerische Leitung: Marc Sinan
Choreografie: Aydin Teker
Technische Leitung und Lichtgestaltung: Albrecht Leu
Video und Bühne: Isabel Robson
Dramaturgie und Text: Holger Kuhla
 
Eine Gemeinschaftsproduktion der Dresdner Sinfoniker, 
des Maxim Gorki Theater Berlin und 
HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden

 

Die Heldenerzählungen des Dede Korkut, dem singenden und Laute spielenden Weisen der Oghusen, genießen in der Türkei und zentralasiatischen Ländern einen Stellenwert wie hierzulande das Nibelungenlied. Aus einer brutalen Vergewaltigung entsteht das »Einauge« Tepegöz. Er wird hineingeboren in eine ihm fremde Welt, gehasst und zum erbitterten Feind der Oghusen, deren Anerkennung er begehrte. Dieser dramatische Konflikt bildet die Grundlage für ein Projekt, das sich als ein bewegtes Gesamtwerk aus Musik, Bild, Text, Körper und Gesang versteht. Dokumentarische Videos zentralasiatischer Musiker, die Marc Sinan und Markus Rindt auf ausgedehnten Reisen durch Aserbaidschan, Usbekistan und Kasachstan gefilmt haben, sowie Videointerviews mit jungen Istanbuler Literaten, Philosophen, Denkern über deren Sicht auf die Geschichte des Tepegöz, sind der Ausgangspunkt für Sinans Arbeit.

 

Produktion

Marc Sinans dokufiktionales Musiktheater »Dede Korkut« kombiniert zeitgenössische Choreografie, Audio- und Videoinstallation, moderne Komposition und traditionelle Musik. Aserbaidschanische, usbekische und kasachische Gastmusiker konzertieren gemeinsam mit den Dresdner Sinfonikern. Solisten, wie die Sängerin Jelena Kuljić, der Kontrabassist Jun Kawasaki, der Subkontrabassflötist Sascha Friedl und der Gitarrist Marc Sinan werden in Aydin Tekers außergewöhnlicher Herangehensweise zu Objekten choreografischer Intervention. Bildmaterial aus Zentralasien bringt in Projektionen den Raum in Bewegung. Das Libretto verbindet eine poetische Neuverarbeitung des traditionellen »Tepegöz« – Stoffes mit Stimmen aus der Literaturszene Istanbuls, die in Videointerviews über den für das Selbstverständnis der turksprachigen Völker so grundlegenden Stoff aus heutiger Sicht sprechen.

 

Gedanken zur Umsetzung

Das »Einauge« Tepegöz steht im Mythos für das scheinbar nicht integrierbar Andere, mit dem ein Zusammenleben nicht einmal von einem Weisen wie Dede Korkut aushandelbar ist. Das Projekt verbindet die Ambivalenzen der literarischen Vorlage mit den Volksweisen Zentralasiens. Der überlieferte Mythos wird als eine Reflektion der »Einsamkeit« des Tepegöz, voller Wut, Trauer, Stolz und Gewalt, neu interpretiert. Der »Fall« wird dabei aus der Perspektive des einäugigen Sonderlings gelesen und somit jenseits eines mythisch skizzierten Einzelschicksals im Kontext europäischer, wie weltweit existierender Konfliktlagen erzählbar. »Dede Korkut« will Mehrdeutigkeiten erfahrbar machen, mit kraftvoll, archaischer Poesie, die sich im Stoff wie in den traditionellen Musiken Zentralasiens findet.

 

Der Stoff

Ein oghusischer Hirte vergewaltigt an einem heiligen Ort eine Nymphe. Diesem Verbrechen entspringt ein einäugiges Kind und folgt ein nicht tilgbarer Fluch. Arus, ein oghusischer Ritter, nimmt sich des verwaisten »Einauges« an und zieht ihn gemeinsam mit seinem Sohn Bassat auf. Doch Tepegöz erweist sich als unzähmbar und wird schließlich in die Einsamkeit der Steppe gejagt. In seiner Not erscheint ihm seine Nymphenmutter. Die schenkt ihm einen Ring, der unverwundbar macht. Der Ausgestoßene wird schnell zur tödlichen Bedrohung für das Volk der Oghusen, die den Sänger Dede Korkut anrufen mit Tepegöz einen »faulen« Frieden zu verhandeln. Der kostet weiterhin Menschenleben und Bassat schwört seinen »Milchbruder« zu töten. Tepegöz nimmt ihn, den scheinbar fremden Krieger, gefangen, doch Bassat gelingt, mit derselben List wie einst Odysseus, das schlafende »Einauge« zu blenden. Am Ende eines erbitterten Zweikampfes erfährt Tepegöz, dass der, der ihn töten wird, sein Bruder ist.